Beim yoga machen sie alle om und sind tiefenentspannt
Anfänglich kam ich, wie wohl fast jeder zum Yoga, nämlich über: „Yoga soll guttun, da bewegt man sich“, „es dient zur Entspannung“. Ich wollte etwas für mich zum Ausgleich tun, dachte, dass es mir auch guttun würde, wenn schon jeder davon erzählte. Hatte in den Medien aufgeschnappt, dass es zur Entspannung und gegen Verspannung beitragen sollte. Die erste Yogaeinheit war geprägt vom Stil von Sriram, der die Asanas sehr bewusst mit dem Atem fließen lässt. Ich befand mich in einer Wohnung bei einer mir äußerlich sehr alternativen Frau. „Egal, es wird gut, schließlich soll Yoga gut sein“. Durchgezogen habe ich den Kurs, doch richtig glücklich war ich nicht, da es mir zu langsam, zu wenig „anspruchsvoll“ war. Ich stellte für mich fest, dass es nett aber nicht der „Burner“ war. Reflektierend betrachtet ist mir jetzt durchaus klar, warum mir dies nicht wirklich zugesagt hat. Zum einen der persönliche Teil, also „welchen Anteil hat die Persönlichkeit des Lehrers?“ und, dass damals der Einstieg mit diesem bewussten und langsamen Yoga für mich zu radikal, zu langsam, zu wenig „anspruchsvoll“ war. Oder war er es vielleicht doch? Gerade wegen den langsamen und bewussten Bewegungen? Ich war in meinem Leben wesentlich schneller unterwegs und konnte von gefühlten 180 km/h nicht auf –6 km/h herunterschalten. Ich begab mich auf die Suche nach weiteren Angeboten und probierte mehrere Yoga-Stunden aus. Das Ergebnis war, dass ich feststellen musste, dass Yoga nicht gleich Yoga ist. Viel hängt davon ab, ob man mit dem Yogalehrer persönlich klarkommt. Letztendlich bin ich bei einer Lehrerin gelandet, die mir persönl
ich und in ihrer Art und
Weise zu unterrichten sehr zugesagt hat. Es war die perfekte Mischung, um mich persönlich abzuholen. Somit bin ich, wie wohl die Mehrheit der Leute, die beim Yoga landen, durch die körperliche Betätigung der Asanas, ihre positive Wirkung und aufgrund der Art und Weise, wie der Lehrer unterrichtet hängen geblieben. Wobei diese Auswirkung doch etwas länger gedauert hat, um auch in meinem Bewusstsein anzukommen. Irgendwie merkte ich, dass Yoga mir guttut, doch konnte ich es anfänglich noch nicht greifen und in Worte fassen.
Yoga ist mehr
Doch zunächst dachte ich, dass Yoga schnell, kraftfordernd, schweißtreibend und anstrengend in Form von „körperlich auslaugend“ sein sollte. Es herrschte der Gedanke, „viel hilft viel; möglichst oft und schnell“. Ich merkte, dass mir Yoga auf der einen Seite guttat, doch insgeheim mich auch anstrengte und mir Energie raubte. Jeden Tag habe ich auf meiner Matte gestanden, Sonnengrüße usw. probiert und meinte, dass ich die Krähe und andere (akrobatische) Asanas alsbald können müsste. Ein Yogi soll um fünf Uhr morgens aufstehen. Meditieren, Asana und sich frisch und fröhlich fühlen. Da mein Leben nicht nur aus Yoga bestand, sondern auch noch der Alltag mit Job, Kindern, Haushalt, usw., haperte es letztendlich an der Umsetzung. Ich stellte fest, d
ass es mich unheimlich viel Kraft kostete, wenn ich jeden Morgen auf der Matte stand und irgendwann war ich an meiner Grenze, dass ich irgendwo Abstriche machen musste. Ich hörte mit dem morgendlichen „müssen“ auf, entschied mich auch dazu, erstmal mit meiner wöchentlichen Yogaeinheit aufzuhören, um Luft für andere (hauptsächlich berufliche) Dinge zu haben. Sow
eit, so gut. Irgendwann merkte ich, dass mir irgendetwas fehlte. Die permanenten Rücken- und Schulterschmerzen und das morgendliche Aufwachen mit der Erkenntnis, dass die Zähne fester zusammengebissen wurden als nötig, konnten nach einer Zeit auch nicht mehr geleugnet werden. Anfänglich kam ich nicht auf die Idee, dass es Yoga sein könnte, was mir fehlte. War ich doch der Meinung, dass es mir Energie rauben würde. Dennoch fing ich wieder mit einem wöchentlichen Kurs an. Ich kenne es nur zu gut, wenn irgendwann der Akku leer ist. Wenn man sich nicht genug Pausen gegönnt hat. Gerade wenn die Kinder klein sind, beide Elternteile arbeiten, der Partner evtl. sogar viel beruflich unterwegs ist. Wenn man selbst wieder in den Job eingestiegen ist, um das Thema Altersarmut und Abhängigkeit etwas zu minimieren. Wenn man sich selbst etwas beweisen möchte oder es finanziell auch einfach notwendig ist. Je nachdem wie man selbst gestrickt ist. Je nachdem, wie hoch die eigenen Ansprüche sind oder wie dehnbar die Belastungsgrenze ist. Früher oder später merkt man, dass irgendetwas nicht stimmt. Bis man dann wiederum feststellt, dass man tatsächlich gestresst ist und einen Gang runterschalten sollte, dann dauert es auch noch etwas.
Meine persönliche Erkenntnis
Rückblickend kann ich sagen, dass mir tatsächliche Ruhe- und Entspannungsphasen gefehlt haben. Dies war wohl meinem eigenen Verhalten geschuldet, aber auch sicherlich aufgrund d
er äußeren Gegebenheiten. Ich rede hier durchaus von vielen positiven Dingen, die ich erlebt und erreicht habe, wie ich gehandelt habe, aber auch von Dingen, für die ich zur Verarbeitung wohl insgesamt etwas mehr Zeit gebraucht hätte. Positiver, aber auch negativer Stress. In den letzten Jahren hatte ich auch das Glück, dass ich Menschen kennenlernen durfte, von denen ich viele verschiedene Impulse bekommen habe. Genannt seien hier zum Beispiel: „inneres Kind“, „Verhaltensmuster“, Wissen aus der Homöopathie, Wissen aus der Physiotherapie, einem Hausarzt der immer sagte: „Mädsche, geh raus in den Wald. Das tut gut und entspannt“. Mein Wissen, dass ich wohl nie ausgelernt habe, dass es ständig etwas Neues gibt und es auch gut ist, dass ich ständig etwas Neues lernen, wissen und begreifen möchte. Viel Selbsterkenntnis und Erfahrungen. Und: dass alles zu seiner Zeit kommt.
Mittlerweile fühlt es sich an, dass sich Puzzleteile, die ich immer einzeln betrachtet hatte, auf eine yogische Betrachtungsweise durchaus einen zusammenhängenden Sinn ergeben. Sozusagen, dass es nicht in sich isolierte Teile, sondern alle zusammengehörend, Teile eines großen „Puzzle“ sind. Ich rede hier teilweise von ganz banalen bis hin zu tiefgreifenden Dingen, somit alles, was der Alltag und das Leben zu bieten haben. Dass man alles, was man tut, erlebt, fühlt – in jedem Lebensbereich – beruflich oder auch privat, im Kontext von der Yogaphilosphie betrachten kann. Die diversen Puzzlestücke fügen sich langsam zusammen. Yoga wirkt. Meistens erst einmal über den körperlichen Aspekt und dann eine Schicht tiefer. Wie genau kann ich momentan noch nicht abschließend abschätzen, aber immerhin wirkt es bei mir positiv. Eine kleine Tür zum Verständnis, was Yoga ist bzw. sein kann/könnte, hat sic
h aufgetan. Das vor etlichen Jahren gekaufte „Das Yogasutra“ mit Erläuterungen von Sriram, welches ich gelesen, aber wieder zur Seite gelegt hatte, weil ich es dann doch nicht wirklich verstanden hatte, fühlt sich mittlerweile an, als wenn der Autor aus meinem Leben / Verhalten ge- bzw. beschrieben hat. Interessant, oder?
Was Yoga für mich mittlerweile bedeutet
Yoga hat mittlerweile einen anderen Wert in meinem Leben eingenommen. Fand ich früher die kraftvollen und anstrengenden Asanas besonders reizvoll, so hat sich dies mittlerweile verändert. War es vorher ein „Du musst jetzt (am besten um fünf Uhr morgens) die Sonnengrüße machen“, auch wenn der Körper einem mitteilt, dass er sich dabei gar nicht gut fühlt, wenn er so früh aus dem Bett geschmissen wird. Es muss einem nicht immer guttun, was reizvoll und mit viel Kraftaufwand zu erreichen ist. Seien es die megaanstrengenden Asanas, der Halbmarathon oder man (wenn ich ehrlich bin, dann muss ich es nicht verallgemeinern, sondern wohl eher mit „ich“ schreiben) muss nicht jeden Tag schwimmen gehen und meine 1000m voll bekommen. Müssen, müssen, müssen, weil andere es vermeintlich auch machen. Wenn es eins ist, was ich in den letzten Jahren verstanden habe. (OK, manchmal hapert es noch an der Umsetzung), dann i
st es, dass man ich auf sich mich selbst hören und erkennen muss, was einem/mir guttut. Meine Yogaausbilder haben immer so schön gesagt: „sei ganz bei dir selbst, konzentriere dich auf dich, bleib bei dir, werde dir bewusst“… Aus diesem Grund brauche ich Euch wohl auch nicht ausschweifend zu erklären, warum mir gerade Yin-Yoga so gut gefällt, ich registriert habe, dass es immer einen Ausgleich geben muss. Yoga hat langsaaaaam, aber stetig meine eigene Wahrnehmung verändert hat. Mir ist mittlerweile bewusst, dass ich Ruhephasen benötige, um alles zu verarbeiten und ich auch laut und deutlich sagen muss, wenn ich diese benötige. Ich muss zu mir und meinen Bedürfnissen stehen, auch wenn diese manchmal nicht unbedingt dem mainstream meiner Umgebung entspricht. Ich bin mir immer mehr bewusst, welche Eigenschaften ich im persönlichen, privaten und beruflichen Umfeld habe. Was ich früher als eher negativ angesehen habe, kann ich mittlerweile auch als Vorteil ansehen, bzw. dazu stehen, dass ich nun mal so bin, wie ich bin. Es muss nicht jedem gefallen, man kann es nie allen recht machen. Kein schlechtes Gewissen mehr zu haben, wenn etwas nicht erledigt ist und mich nicht allzu sehr darum zu sorgen, was andere nun denken.
Hierzu fällt mir die Betrachtungsweise mit Yin und Yang ein. Alles in unserem Leben sollte gleichmäßig verteilt sein. Herrscht ein Übermaß von einer bestimmten Sache (egal, welchen Bereich es betrifft), so entwickeln sich irgendwann Dysbalancen, die uns irgendwann, erst unscheinbar und unbemerkbar zeigen, dass etwas nicht in Ordnung ist und uns nicht guttut. Wie bereits oben erwähnt, meinte meint Arzt, dass ich doch öfters in den Wald gehen soll. „Ähm, hallo: ich wohne im Wald. Ich gehe joggen, fahre mit dem Rad durch den Wald. Was will er von mir? Barfuß laufen am Strand im Urlaub. Ist doch eh klar. Was will er von mir, wenn er sagt, dass barfußlaufen die Fußsohlen stimuliert und sich beruhigend auswirkt?“ Nuja, gut Ding braucht Weile.
Bals geht´s weiter. Ich grüße Dich derweil ausm Wald
Yvonne
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