raus aus der Opferrolle auf dem Jakobsweg
Tag 15 Caminha – Carreco 24.06.2021
Tagespruch
wer durch Reisen klüger werden will, darf sich nicht selbst mitnehmen
Sokrates
Erlebnisse und Emotionen auf dem portugiesischen Jakobsweg
Heute breche ich wieder früh auf, der obligatorische Café und Croissant fehlen natürlich nicht. Ich darf entdecken, dass hinter dem Campingplatz ein wundervoller Strand ist. Ich merke ihn mir für unseren geplanten Roadtrip.
Der Weg allerdings ist hier nicht zu finden, ich laufe wieder zurück und durch ein Waldstück hindurch. Ich passiere ein Surferörtchen, unterhalte mich mit einer knapp 30jährigen, die mit dem Camper unterwegs ist, Yoga macht und surft. Die Freiheit und Unabhängigkeit ruft. Ansonsten erlebe ich nix dolles. Ich genieße die Landschaft, OK, sie ist etwas karg, werde mit tollen Ausblicken aufs Meer belohnt, die Küste ist hier realativ flach und insgeheim lobe ich mich für meine Entscheidung, den Central gewählt zu haben. Denn, wie bereits erwähnt, 2016 bin ich die Rota Vicentina gelaufen. Dort gab es spektakulärere Klippen, ehrlich gesagt, sind von dort die Impressionen für mich besser. Doch darauf kommt es hier in diesem Moment gar nicht an.
Ich merke, dass ich auf dem nicht so gut ausgeschilderten Weg bin, denn ich vermisse Pfeile. Doch so richtig kann ich mich nicht verlaufen, denn die Regel lautet: rechts das Wasser und immer gerade aus. So vergeht der Tag dann auch realtiv unspektakulär, ich finde einen schönen Strandabschnitt, verweile dort und irgendwann entferne ich mich von dort wieder, denn auf maps sehe ich, dass linkerhand eine Ortschaft sein soll, die nah an einer weiteren Ortschaft sein soll, in welcher ich die bekannte Herberge von Hugo mit der Albergue Casa Sardao. finden soll.
Die Ortschaft ist schön, ein tolles Bild und ich mache Pause in einem Kaffee. Da ich keine Wegemarkierung finde, laufe ich los und darf feststellen, dass ich mich verlaufen habe. Irgendein Typ hat auch keine Ahnung und so laufe ich wieder zurück an den Punkt, wo ich denke, dass ein Weg parallel zur Straße mich weiter bringen soll. Ich habe keine Ahnung, ob ich richtig bin. Die Markierung fehlt, es ist einsam und ich frage mich, ob das gut geht. Denn ich bin schon genug Kilometer gelaufen. Aber auch hier, was soll passieren? Ich vertraue darauf, dass niemand aus dem Gebüsch springt und werde nach ein paar Kilometer belohnt. Ich treffe wieder auf Pfeile, folge ihnen bergauf und dann entdecke ich das Kleinod.
Ich bin sprachlos, was hier geschaffen wurde ist traumhaft. Sandstein trifft auf Individualität. Der Mann strahlt so eine Ruhe aus, er ruht in sich. Ist aber selbst schon weit gereist und hat als Lehrer in Afrika gearbeitet. Lass einfach die Bilder auf Dich wirken.
Ich teile mir mein Zimmer mit einer weiteren Deutschen. Typ: planlos, verpeilt, wuschig und redebedürftig. Aber sie ist nett und evtl. habe ich einfach zu wenige Menschen in der letzten Zeit um mich gehabt 😉
Sie erzählt, dass sie den Weg für einen kürzlich verstorbenen Freund läuft, obwohl sie ihn zusammenlaufen wollten. Ich glaube, dass sie auch etwas von einer bevorstehenden Hochzeit erzhält hat. Dennoch ist sie ziemlich planlos, denn normalerweise wandert sie nicht. Sie hat quasi einen heißen Draht zu Anne Chantal, weil sie permament mit ihr während dem Laufen in Kontakt stand. Ja, hier prallen zwei Welten aufeinander. Aber egal, wir arrangieren uns und genießem im Ort ein lecker Essen.
Ich probiere den Tag zu genießen. Lebe im Hier und Jetzt. Der Abend wird mit einem tollen Sonnenuntergang belohnt, ich lerne einen Typen kenne, der ebenfalls in der Versicherungsbranche tätig ist, wir tauschen uns bei Rotwein aus.
Apropos genießen. Meine Mutter schreibt mir eine Nachricht, dass die Covidzahlen hoch gehen, die Bundesregierung irgendetwas plant und ich solle mir überlegen, was ich mache. Es würde irgendeine Änderung in den Covidbestimmungen geben. Ich gestehe, ich habe darauf keine Lust. Ich habe kaum Kontakt mit Menschen, niemand hier ist erkrankt, das ist mein Urlaub und ich probiere ihr deutlich zu machen, dass ich erst dann handeln werde, wenn ich genaue Infos habe, auf die ich mich verlassen kann. Gefühlt ist sie eingeschnappt, denn die Antwort ist: „ich meins ja nur gut!“ und ich denke mir: „es bringt nichts, sich den Kopf zu zerbrechen, solange noch gar nichts klar ist. ich will den Moment JETZT genießen und nicht in der Vergangenheit leben und auch nicht in der Zukunft. Denn das nennt man Achtsamkeit!
Da die Herberge so toll ist, beschließe ich, dort noch länger zu bleiben, bis ich dann nach Porto irgendwann aufbrechen werde.
Zahlen, Daten, Fakten
18,2 km
gelaufen: 3:37 Stunden, insgesamt unterwegs: 06:48 Stunden
höchster Punkt 130m, niedrigster Punkt 60m
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